Wikipedia: Die Fußball-WM neigt sich ihrem Ende zu und derart werden wieder Kapazitäten frei, um mich mit Wikipedia auseinandersetzen zu können. Ende der vergangenen Woche begann ich einmal damit, das „Terrain“ auszuloten – und stieß unvermittelt auf die „Fünfte Kolonne“ von Scientology. Der Begriff selbst stammt aus dem Spanischen Bürgerkrieg, als Franco-General Mola vier Kolonnen gegen Madrid führte und mit jener fünften rechnete, die ebendort bei Bedarf subversiv in Erscheinung treten würde – Wikipedia bietet dazu einen schönen Artikel …
Beim Thema Scientology verstand die angesprochen Fünfte Kolonne aber keinen Spaß, als ich mich daran machte, die im Artikel eingangs propagierte „Neue Religiöse Bewegung“ richtig zu stellen. Der ganze erste Absatz bietet ohnehin keine Quellenangaben für diese Behauptung und so dachte ich, dass die Wikipedianer hoch erfreut wären, wenn dies geändert werden würde.
Aber denkste …
Anfangs wollte ich wohl zu viel korrigieren, als ich schrieb, dass „Scientology bezeichnet sowohl die von dem amerikanischen Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard (1911–86) in dem Buch »Dianetics« begründete und später weiterentwickelte Lehre und Lebenstechnik als auch die von ihm 1954 in Los Angeles initiierte Organisation (»Church of Scientology«). Hubbards Lehre ist als Psychotechnik zu begreifen. Nach öffentlicher Einschätzung ist die Scientology-Organisation jedoch weder eine Religions- noch eine Weltanschauungsgemeinschaft, sondern ein auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Wirtschaftsunternehmen mit einem bedenklichen Demokratieverständnis, dessen Menschenbild, Ideologie und politische Zielsetzung mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht übereinstimmten.“
Der Text ist nicht von mir, sondern aus dem Brockhaus und kommt eigentlich sehr neutral daher – dachte ich. Aber die Fünfte Kolonne schlug sofort zu, faselte von Kahlschlag usw. und löschte innerhalb kürzester Zeit meinen Eintrag.
Also fasste ich mich kürzer und konzentrierte mich nur auf den ersten Absatz: „Scientology geht auf die vom amerikanischen Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard am 19. Dezember 1953 in New Jersey gegründete Organisation Church of Scientology zurück.“
Die „Neue Religiöse Bewegung“ wäre damit genauso verschwunden gewesen, wie das Wilms-Gesülze von wegen szientistischen und transzendenten Aspekten. Meine Änderungen hatten letztendlich aber wieder nur eine sehr kurze Verweildauer, bevor die Wikipedia-Sichter zurückschlugen – hier ein Blick in die Versionsgeschichte …
Wobei ich nicht behaupten möchte, dass alle im direkten Auftrag von Scientology unterwegs sind. Wahrscheinlich handelt die Mehrzahl aus einer falsch verstandenen Solidarität oder „Wissenschaftlichkeit” heraus – das „Ergebnis” bleibt: Scientology kann sich weiter über eine sehr vorteilhafte Berichterstattung freuen und die rd. 1.000 täglichen Besucher der Seite bekommen nach wie vor ein falsches Bild der Psychosekte.
Bonmot am Rande: Der rührige Wikipedia-Autor Homer Lanskirty, der auch als Heimschützenverein aktiv ist, übertraf sich selbst, als er „erfolgreich“ verhinderte, dass zwei kritische Bücher über Scientology Eingang in die Literaturliste des Artkels fanden.
Der Autor Über-Blick wollte nämlich, nichts Böses ahnend, die beiden Bücher von Frank Nordhausen und Liane Billerbeck (Der Sekten-Konzern. Scientology auf dem Vormarsch und Scientology – Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will) einfügen. Er hatte aber nicht mit Homer Landskirty gerechnet, der gemeinsam mit H-stt, diesem pösen, pösen Unterfangen als „unwissenschaftlich” [sic!] eine Absage erteilte – da hätte unser allseits geliebter OSA-Stettler nämlich keine Freude gehabt, wenn ihm zum sonntäglichen Frühstück derartiges ins Auge gefahren wäre. Hier nochmals der Link zur Versionsgeschichte …
Langer Rede, kurzer Sinn und ohne Zynismus: Die nächste Runde ist eingeläutet – mehr dazu in den nächsten Tagen. Devise: Aufgegeben wird nur ein Brief …
Basel 1: In der dort angesiedelten „Idealen Org“ von Scientology sind intensiver werdende Bauarbeiten zu vermelden, die auf ein Eröffnungsdatum Anfang 2015 hinweisen. Man ist offenbar mit Innenausbauten beschäftigt …
So soll sie dann aussehen, die „Ideale Org“, wenn es fertig ist …
Basel 2: Rund um den Bau des Scientology-Kastens beginnt sich, spät, aber doch, Widerstand zu regen. Der Anrainer Thomas Erlemann schuf eine Facebook-Gruppe unter dem Namen Julia Gauss, sammelt(e) Freunde, um derart eine Bewegung gegen Scientology ins Leben zu rufen – hier der Link zur Seite.
Dazu Artikel in der BZ Basel und BAZ …
BR Fernsehen: Kommenden Dienstag und Mittwoch gibt es einen Scientology-Schwerpunkt, der Stettler & Co gar nicht behagen und die Freude über Wikipedia überlagern wird …
Den Anfang macht die Wiederholung des Scientology-Films Bis nichts mehr bleibt … – Dienstag, 15. Juli 2014, 20.15 Uhr, BR.
Um 22.45 Uhr folgt dann die Doku Die Spitzel von Scientology – hier der Link zum BR-Programm …
Am nächsten Tag gibt es dann die neue Dokumentation zum Selbstmord der OT-VIII-Scientologin Biggi Reichert: Mittwoch, 16. Juli 2014, 19.00 Uhr – Warum musste Biggi sterben? Der rätselhafte Tod einer Scientologin … hier ebenfalls der Link zum BR-Programm …
Europäische Menschenrechtskonvention: In der EMRK gibt es den Artikel 9 – Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit -, wobei Absatz 1 wie folgt lautet: „Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.“
Scientology liebt diesen Passus heiß – und übersieht dabei Absatz 2: „Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendigen Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.“
Warum hakt die Politik hier nicht ein, wie es Frankreich beim Burka-Verbot tat und vor dem Europäischen Höchstgericht recht bekam?
Auditing, Sec Checks, E-Meter, „Reinigungs-Rundown“ usw. – es gäbe eine Fülle von Scientology-„Praktiken“, die zu verbieten wären, sich aber hinter dem Deckmäntelchen „Religion“ verstecken …
Pam Biondi: In den USA unterstützt derweil Scientology die Wahl der Generalstaatsanwältin Pam Biondi, wie die Tampa Bay Times zu berichten weiß – warum wohl?
Womit ich beim Skurrilen angelangt wäre …
Agape Ministries of God: Die australische Weltuntergangssekte unter ihrem Führer Rocco Leo hatte 2012 den selbigen prophezeit, der dann bekanntlich nicht eintrat. Dafür schickte das Finanzamt eine Steuernachzahlung von 688.000 Euro an die „Verblieben” – ein Weltuntergang hat seine Tücken.
Hier der Artikel in der SZ-Online dazu …
Tom Cruise: Das Scientology-Pin-up wäre so gerne mit George Clooney befreundet und auch zu dessen Hochzeit eingeladen worden – Clooney mag aber den Sekten-Boy so gar nicht und lädt ihn auch nicht ein – hier ein Artikel dazu …
Abschließend das erweiterte Wort am Sonntag: „Ich finde, dass man dem Komplex rund um Scientology, RTC, IAS und wie sie alle heißen mögen, ganz dringend jede rechtliche Basis entziehen sollte – es gibt schon genug Menschenverachtendes bzw. Kriminelles auf der Welt!”
Die angesprochene Erweiterung: „Wikipedia sollte vor Scientology-Praktiken bewahrt werden!“
Fotos: Screenshot, Über-Blick, Basel-Eye (3), Scientologypublikationen (2), Baselland, Badische Zeitung, Weltbild, EU ABC, Zivilpakt, Tampa Bay Times, Adelaide Now, Gallery of the Absurd